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Eine Unternehmenssteuerreform für Deutschland

Type
consulting project
Start Date
September 1, 2008
End Date
July 5, 2009
Status
completed
Description
EXECUTIVE SUMMARY
Es gibt eine lange politische und wissenschaftliche Debatte um die effiziente und gerechte Ausgestaltung des Einkommensteuersystems. Joachim Mitschke hat im Jahre 2004 einen Vorschlag zur umfassenden Erneuerung des deutschen Einkommensteuerrechts vorgelegt, welcher in einer ersten Variante einen vollständigen Übergang zu einem System der nachgelagerten Besteuerung vorsieht und ausschliesslich natürliche Personen nach ihrem Wohnsitz steuerpflichtig macht sowie zu einer deutlichen Vereinfachung des Einkommensteuerrechts führt. In einer zweiten Variante wird dieses System um eine so genannte negative Einkommensteuer ergänzt, welche den Bereich der Sozialtransfers neu strukturiert, systematisiert und vereinfacht.
Wir sind von der Humanistischen Stiftung beauftragt worden, die kurz- und langfristigen Wirkungen einer Teilumsetzung des Mitschke-Modells mit Hilfe eines berechenbaren Allgemeinen Gleichgewichtsmodells zu untersuchen. Die Umsetzung des Reformvorschlags betraf dabei nur die Einkunfstarten 1-3 (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb sowie selbständiger Arbeit). Ein besonderes Augenmerk sollte dabei vor dem Hintergrund der kurz- und langfristigen Wachstums- und Verteilungswirkungen auf die Behandlung von Altkapital bei der Umsetzung der Reform und die Ausgestaltung des juristischen Übergangs vom alten zum neuen Steuersystem gelegt werden.
Das zur Anwendung kommende Simulationsmodell ist ein berechenbares dynamisches Allgemeines Gleichgewichtsmodell mit endogener und unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, welches durch seine sehr detailierte Erfassung der Arbeitsmärkte und Sozialsysteme erlaubt, die Interaktion zwischen der Steuerreform, den Arbeitsmärkten und den Sozialsystemen sehr präzise zu modellieren.
Die Identifikation und Quantifizierung der Gewinne und Verluste einer solchen Steuerreform hängt ganz wesentlich von den getroffenen Annahmen bezüglich der Gegenfinanzierung von Steuerausfällen bzw. Steuermehreinnahmen ab, die durch die Änderungen in den Bemessungsgrundlagen und den prognostizierten Verhaltensänderungen induziert werden. Wir sind in der Studie davon ausgegangen, dass das Staatsbudget in jeder Periode durch die Steuerreform nicht verändert werden darf, so dass Steuerausfälle durch die Steuerreform durch die Anpassung anderer Steuern und/oder die Anpassung der Staatsverschuldung ausgeglichen werden muss. Weiterhin sind wir davon ausgegangen, dass die Körperschaftsteuern nicht angepasst werden, so dass eine Anpassung mittels Steuern über eine Veränderung der Verbrauchs- oder Lohnsteuern erfolgen muss.
Betrachtet man die langfristigen Effekte einer solchen Steuerreform, so ergibt sich bei einer Gegenfinanzierung durch eine Anpassung von Verbrauchs- oder Lohnsteuern ein sehr positives Bild mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 6.7 bis 8.7%, einer Zunahme der Beschäftigung um 2.1 bis 4.1% und einer Steigerung des Konsums um 5.3 bis 7.4%. Obwohl langfristig das Steueraufkommen der Körperschaften sinkt, können die Lohn- oder Verbrauchssteuern gesenkt
werden, weil das Wachstum eine Verbreiterung dieser Steuerbasen induziert. Hier existiert eine doppelte Dividende der Steuerreform, die durch die doppelte Belastung der Sozialbudgets nochmals verstärkt wird, da durch den Rückgang der Arbeitslosigkeit mehr Beschäftigte weniger Arbeitslose finanzieren.
Diese Sichtweise zeichnet aber ein zu positives Bild, weil es die Effekte in der ökonomischen Anpassungsperiode vom alten zum neuen langfristigen Gleichgewicht nicht berücksichtigt. Diese sind bei jeder wachstumsorientierten Steuerreform zunächst negativ, weil die Steuerausfälle sofort auftreten, die Wachstumseffekte aber erst langsam wirksam werden, so dass es kurzfritig zu einer starken zusätzlichen Belastung durch Lohn- oder Verbrauchsteuern kommt, die adverse Wirkungen auf den Arbeitsmarkt, das kurzfristige Wachstum und den kurzfristigen Konsum haben. Eine Verteilung dieser Lasten durch eine Politik der Staatsverschuldung, die die notwendigen Steueranpassungen gleichmässig auf alle Generationen verteilt, kann im Extremfall die potenziell vorhandenen langfristigen Wirkungen fast vollständig aufzehren, da die wachstumsinduzierte Zunahme des Bruttoinlandsprodukts nicht in Form von höherem Konsum abgeschöpft werden kann, sondern zur Bedienung der Staatschuld aufgebraucht wird. Auch die positiven Wirkungen auf den Arbeitsmarkt fallen signifikant geringer aus.
Dieses Phänomen macht erkennbar, dass die konkrete Umsetzung einer solchen Steuerreform und deren Flankierung durch andere Steuern und Staatsverschuldung zentral für die Verteilung von Anpassungslasten zwischen Bevölkerungsgruppen und Generationen ist und wesentlich mitbestimmt, ob sich die potenziell positiven langfristigen Wirkungen auch konkret umsetzen lassen, ohne einzelne Gruppen ungebührlich zu belasten. Wir haben zum Verständnis der relevanten Zielkonflikte verschiedene Optionen untersucht.
∙ Durch eine Umstellung des Steuersystems kommt es zu einer marklichen Neubewertung des Altkapitals, welches zu Umverteilungseffekten zwischen Altkapitaleigentümern und dem Rest der Gesellschaft führt. Gleichzeitig würde eine Umstellung zu einer nachgelagerten Besteuerung nach dem Konzept von Mitschke ohne weitere Übergangsregelungen dazu führen, dass Altkapital doppelt besteuert wird. Die Frage des steuerlichen Umgangs mit dem Altkapital ist daher für die Verteilung von Gewinnen und Verlusten von grosser Bedeutung, und wir untersuchen unterschiedliche Regelungen.
∙ Eine Steuerreform kann unmittelbar oder graduell, über mehrere Jahre gestreckt, erfolgen. Eine unmittelbare Umsetzung erzeugt starke kurzfristige Anpassungs- und Umverteilungseffekte, lässt die positiven Wirkungen der Steuerreform aber recht bald spürbar werden. Umgekehrt führt eine graduelle Umstellung der Besteuerung auf das neue System zu einer Reduktion der
Anpassungslasten; allerdings werden die positiven Wirkungen der Reform auch weiter in die Zukunft verschoben. Wir untersuchen wiederum beide Fälle.
∙ Schliesslich ist der Einsatz von Staatsverschuldung zum intergenerativen Ausgleich der Lasten von grosser Bedeutung, weil eine Erhöhung der Staatsverschuldung kurzfristig die Anpassungslasten reduziert, gleichzeitig durch die Notwendigkeit ihrer zukünftigen Finanzierung aber zumindet ein Teil der positiven langfristigen Wirkungen abgeschnitten wird. Auch hier untersuchen wir unterschiedliche Fälle.
Es zeigt sich, dass die unmittelbare Umsetzung einer Steuerreform ohne eine begleitende Erhöhung der Staatsverschuldung kurzfristig stark negative Effekte auf die Beschäftigung, das Bruttoinlandsprodukt und den Konsum hat, so dass solche Reformoptionen die zukünftigen Generation stark zu Lasten der Überlangsgenerationen begünstigen. Das bereits oben genannte Ergebnis, dass bei einer reinen Lastverschiebung mittels Staatsverschuldung die positiven langfristigen Effekte fast vollständig aufgezehrt werden, zeigt auf ein mögliches Dilemma einer solchen Steuerreform. Eine Analyse des Werts des Altkapitals in der Übergangsphase zeigt aber, dass die durch eine Umstellung auf ein System der nachgelagerten Besteuerung ausgelösten marktlichen Prozesse zu einer kurzfristigen Steigerung der Unternehmswerte und damit des Werts des Altkapitals führen. Die Eigentümer des Altkapitals profitieren also von solchen Reformmodellen.
Geht man davon aus, dass durch die Umstellung des Steuersystems dieser Gruppe weder Lasten aufgebürdet werden noch Umstellungsgewinne zufallen sollen, zeigt sich eine mögliche Reformoption, die es schafft, kurzfristige Lasten weitgehend abzufedern und gleichzeitig die langfristigen positiven Wirkungen der Steuerreform nicht abzuschneiden. Hierbei wird die Reform sofort vollständig umgesetzt, so dass potenziell existierende Anpassungsprobleme unmittelbar nach der Reform zugunsten eines relativ schnellen Einsetzens der positiven Wirkungen der Reform in Kauf genommen werden. Dieses Problem wird auf zwei Arten gemildert. Erstens, indem die Aufwertungsgewinne des Altkapitals durch eine Reduktion des steuerlichen Kapitalstocks begrenzt werden und keine Abschreibung des alten Eigenkapitals zugelassen wird. Zweitens werden auch die zukünftigen Generationen als potenzielle langfristige Gewinner der Reform durch eine teilweise Staatsschuldfinanzierung der Anpassungslasten mit einbezogen. Dieses Szenario erlaubt es, langfristig das BIP um ca. 6.3%, die Beschäftigung um ca. 1.7 Prozentpunkte und den Konsum um ca. 2.2% zu steigern. Dabei können gleichzeitig die Anpassungskosten der Übergangsperiode in Form eines Anstiegs der Arbeitslosigkeit um ca. 0.2 Prozentpunkte und eines Rückgangs des BIP um ca. 0.3% sehr gering ausfallen. Darüber hinaus ist sichergestellt, dass der Wert des Altkapitals nicht zurückgeht, sondern die Unternehmenswerte um ca. 4.8% steigen
Leader contributor(s)
Kolmar, Martin  
Keuschnigg, Christian  
Member contributor(s)
Keuschnigg, Mirela  
Funder

External Financing

Division(s)

SEPS - School of Econ...

University of St.Gall...

IWE - Institute for B...

FGN - Institute of Ec...

Eprints ID
55556

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