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Imagineering
Series
Kulturen der Gesellschaft
ISBN
978-3-8376-4510-1
Type
book section
Date Issued
2018-10-09
Author(s)
Abstract (De)
In Die Erfindung der Kreativität erzählt Andreas Reckwitz die Kulturgeschichte der „Gegenwartsgesellschaften“ der westlichen Spätmoderne als den kometenhaften Aufstieg des Kreativitätsimperativs, der als Leitgestirn am Himmel der globalisierten post-fordistischen Arbeitswelt steht: Sei kreativ! „Wenn es einen Wunsch gibt, der innerhalb der Gegenwartskultur die Grenzen des Verstehbaren sprengt, dann wäre es der, nicht kreativ sein zu wollen. Dies gilt für Individuen ebenso wie für Institutionen“ (Reckwitz 2012, 9). Aber es scheint nicht für die Gesellschaft als Ganzes zu gelten, zumindest nicht, sofern sie als gemeinsames Projekt an der Gestaltung einer gewünschten, lebenswerten und nachhaltig lebensfähigen Zukunft arbeitet. Aus Sicht der Zukunftsvisionen kehrt sich der Befund gerade um: Parallel zum Aufstieg des Kreativitätsdispositivs nehmen die Energien kollektiver Vorstellungskraft seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ab. Wir scheinen uns nichts Neues im Hinblick auf unser eigenes Zusammenleben, das auch noch sinnlich ansprechend und einnehmend wäre (die beiden Hauptpunkte der Kreativität nach Reckwitz, ebd., S. 10), mehr vorstellen zu können: „Contemporary reality is the beta version of a science fiction dream“, fasst Richard Barbrook diesen Mangel an kollektiver Kreativität pointiert zusammen (Barbrook 2007, 9).
Das kulturelle Imaginäre scheint leer, die Gesellschaften bild- und gefühlslos, wie man sinnvoll und emphatisch in eine solidarische Zukunft aufbrechen könnte. Zwar haben sich viele technische Versprechen und materielle Wünsche erfüllt, doch fehlt es an Ideen, wie Städte, Länder und Kontinente angesichts von Klimawandel, die soziale Ungerechtigkeit verstärkendem (Finanz-)Kapitalismus und Migrationsbewegungen anders leben könnten. „Die großen Utopien der Anarchisten vom Ende von Hierarchie und Herrschaft überhaupt, der Kommunisten vom Ende der Entfremdung, der Situationisten von einer Verschmelzung von Kunst und Leben – sie alle sind 19. und 20. Jahrhundert. Das 21. hat noch keine großen Utopien hervorgebracht“, schreibt dazu der Sozialpsychologe Harald Welzer (2018, 8).
Das kulturelle Imaginäre scheint leer, die Gesellschaften bild- und gefühlslos, wie man sinnvoll und emphatisch in eine solidarische Zukunft aufbrechen könnte. Zwar haben sich viele technische Versprechen und materielle Wünsche erfüllt, doch fehlt es an Ideen, wie Städte, Länder und Kontinente angesichts von Klimawandel, die soziale Ungerechtigkeit verstärkendem (Finanz-)Kapitalismus und Migrationsbewegungen anders leben könnten. „Die großen Utopien der Anarchisten vom Ende von Hierarchie und Herrschaft überhaupt, der Kommunisten vom Ende der Entfremdung, der Situationisten von einer Verschmelzung von Kunst und Leben – sie alle sind 19. und 20. Jahrhundert. Das 21. hat noch keine großen Utopien hervorgebracht“, schreibt dazu der Sozialpsychologe Harald Welzer (2018, 8).
Language
English
HSG Classification
contribution to scientific community
HSG Profile Area
SHSS - Kulturen, Institutionen, Maerkte (KIM)
Book title
Der Kreativitätskomplex. Ein Vademecum der Gegenwartsgesellschaft
Publisher
transcript
Publisher place
Bielefeld
Start page
108
End page
114
Subject(s)
Division(s)
Eprints ID
268855