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Die Rolle der Widerrufsfrist im Schweizer Konsumkreditmarkt
Type
case study
Date Issued
2018-05
Author(s)
Abstract (De)
Der 1. Januar 2016 wurde die im Bundesgesetz über den Konsumkredit KKG) festgelegte Widerrufsfrist von 7 Tagen auf 14 Tage erhöht. Kreditnehmer haben nun ab Erhalt des Vertrages 14 statt 7 Tage Zeit einen unterschriebenen Vertrag schriftlich zu widerrufen. Die Regulierung von Konsumkrediten beinhaltet in vielen Ländern eine Widerrufsfrist. Diese wird mit impulsivem Verhalten der Konsumenten begründet. Es wird argumentiert, dass ein Teil der Konsumenten spontan Kaufentscheidungen trifft, welche nach späterem Hinterfragen bereut werden. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Konsumenten, welche impulsive Konsumentscheidungen treffen, häufiger überschuldet sind. Die Widerrufsfrist soll dem entgegenwirken. Sie gibt dem Kreditnehmer die Möglichkeit die Entscheidung zu überdenken und, falls gewünscht, zu widerrufen.
Dieser Bericht untersucht die Nutzung der Widerrufsfrist bei Konsumkrediten in der Schweiz, sowie die Auswirkungen der Anfang 2016 eingeführten verlängerten Widerrufsfrist. Die Studie stützt sich hierbei auf Daten zu angebotenen Barkrediten und abgeschlossenen Barkreditverträgen von mehreren Schweizer Anbietern im Zeitraum 2014 – 2016. Der Bericht bietet zunächst eine Übersicht über die Struktur des Schweizer Konsumkreditmarktes. Der Median-Kreditbetrag beträgt CHF 20‘000 und die Median-Laufzeit liegt bei 5 Jahren. Dies zeigt, dass Barkredite in der Regel grössere, längerfristige Anschaffungen finanzieren. Kreditangebote richten sich hauptsächlich an Haushalte mit monatlichen Einkommen von CHF 4‘000 – 8‘000 und im Alter von 25 – 54 Jahren. Nur 5% der Kreditverträge werden mit jungen Erwachsenen unter 25 Jahren abgeschlossen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Widerrufsfrist nach KKG im Schweizer Konsumkreditmarkt kaum genutzt wird. Bei höchstens 0.6% der abgeschlossenen Kreditverträge kam es zu einem entsprechenden Widerruf. Zum Vergleich: Im untersuchten Zeitraum kam es bei 17.3% der Kreditangebote zu einem Verzicht auf den Vertragsabschluss von Seiten des Kunden. Anhand der Analyse lässt sich keine Wirkung der verlängerten Widerrufsfrist auf das Kundenverhalten feststellen. Weder die Häufigkeit der Widerrufe bereits abgeschlossener Verträge, noch die Häufigkeit der Verzichte auf einen Vertragsabschluss (Nichtannahme der Vertragsofferte) wurden von der Änderung beeinflusst.
Untersucht man die Kreditangebote, auf die verzichtet wurde, so zeigen sich deutliche Unterschiede sowohl nach Kundeneigenschaften, wie auch nach Krediteigenschaften. Bei jungen Haushalten kommt es häufiger zu einem Verzicht auf das Angebot. Dies lässt vermuten, dass junge Haushalte ihre geplanten Kauf- oder Finanzierungsentscheide häufiger revidieren, nachdem sie einen Antrag gestellt haben, aber bevor sie den Vertrag unterschreiben. Auch bei längerfristigen Krediten kommt es häufiger zu einem Verzicht auf ein Kreditangebot. Dies lässt sich nur teilweise damit erklären,dass Konsumenten vor dem Eingehen von längerfristigen finanziellen Verpflichtungen häufiger mehrere Angebote einholen.
Die schwache Nutzung der gesetzlichen Widerrufsfrist hängt vermutlich mit der heutigen Schriftlichkeit im Kreditvergabeprozess zusammen. Diese sorgt für eine Wartezeit im Kreditprozess zwischen dem Zeitpunkt des Kreditantrages und dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung durch den Kunden. Diese Wartezeit wird offenbar von vielen Konsumenten genutzt, um ihre Entscheidung zu überdenken, was bei einem Teil der Kunden zu einem Verzicht auf das Angebot führt. Andererseits können die Konsumenten in der Schweiz auch nach dem Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist weitgehend kostenlos von einem laufenden Konsumkredit zurücktreten. Im Gegensatz etwa zu einem Hypothekarkredit, kann ein Konsumkredit frühzeitig ohne Vorfälligkeitsentschädigung an den Kreditgeber zurückbezahlt werden.
Könnte die Bedeutung des Widerrufsrechtes mit einer intensiveren Digitalisierung der Kreditprozesse zunehmen? Dies hängt davon ab, wie die digitale Kreditvergabe konkret ausgestaltet wird. Der vorliegende Bericht zeigt vor allem eines auf: Im Kreditprozess ist eine Bedenkzeit für den Konsumenten sinnvoll – aber es braucht diese nicht sowohl vor, wie auch nach der Vertragsunterzeichnung. Ist im digitalen Kreditprozess weiterhin eine Bedenkzeit zwischen dem Kreditantrag und der Vertragsunterzeichnung eingebaut, so kann man davon ausgehen, dass der Widerruf von abgeschlossenen Verträgen weiterhin kaum eine Rolle spielen wird. Fällt die Bedenkzeit zwischen Vertragsantrag und Vertragsunterzeichnung hingegen weg - wie etwa beim Einkauf in Online-Shops - so ist wohl mit einer zunehmenden Bedeutung des Widerrufsrechtes zu rechnen.
Dieser Bericht untersucht die Nutzung der Widerrufsfrist bei Konsumkrediten in der Schweiz, sowie die Auswirkungen der Anfang 2016 eingeführten verlängerten Widerrufsfrist. Die Studie stützt sich hierbei auf Daten zu angebotenen Barkrediten und abgeschlossenen Barkreditverträgen von mehreren Schweizer Anbietern im Zeitraum 2014 – 2016. Der Bericht bietet zunächst eine Übersicht über die Struktur des Schweizer Konsumkreditmarktes. Der Median-Kreditbetrag beträgt CHF 20‘000 und die Median-Laufzeit liegt bei 5 Jahren. Dies zeigt, dass Barkredite in der Regel grössere, längerfristige Anschaffungen finanzieren. Kreditangebote richten sich hauptsächlich an Haushalte mit monatlichen Einkommen von CHF 4‘000 – 8‘000 und im Alter von 25 – 54 Jahren. Nur 5% der Kreditverträge werden mit jungen Erwachsenen unter 25 Jahren abgeschlossen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Widerrufsfrist nach KKG im Schweizer Konsumkreditmarkt kaum genutzt wird. Bei höchstens 0.6% der abgeschlossenen Kreditverträge kam es zu einem entsprechenden Widerruf. Zum Vergleich: Im untersuchten Zeitraum kam es bei 17.3% der Kreditangebote zu einem Verzicht auf den Vertragsabschluss von Seiten des Kunden. Anhand der Analyse lässt sich keine Wirkung der verlängerten Widerrufsfrist auf das Kundenverhalten feststellen. Weder die Häufigkeit der Widerrufe bereits abgeschlossener Verträge, noch die Häufigkeit der Verzichte auf einen Vertragsabschluss (Nichtannahme der Vertragsofferte) wurden von der Änderung beeinflusst.
Untersucht man die Kreditangebote, auf die verzichtet wurde, so zeigen sich deutliche Unterschiede sowohl nach Kundeneigenschaften, wie auch nach Krediteigenschaften. Bei jungen Haushalten kommt es häufiger zu einem Verzicht auf das Angebot. Dies lässt vermuten, dass junge Haushalte ihre geplanten Kauf- oder Finanzierungsentscheide häufiger revidieren, nachdem sie einen Antrag gestellt haben, aber bevor sie den Vertrag unterschreiben. Auch bei längerfristigen Krediten kommt es häufiger zu einem Verzicht auf ein Kreditangebot. Dies lässt sich nur teilweise damit erklären,dass Konsumenten vor dem Eingehen von längerfristigen finanziellen Verpflichtungen häufiger mehrere Angebote einholen.
Die schwache Nutzung der gesetzlichen Widerrufsfrist hängt vermutlich mit der heutigen Schriftlichkeit im Kreditvergabeprozess zusammen. Diese sorgt für eine Wartezeit im Kreditprozess zwischen dem Zeitpunkt des Kreditantrages und dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung durch den Kunden. Diese Wartezeit wird offenbar von vielen Konsumenten genutzt, um ihre Entscheidung zu überdenken, was bei einem Teil der Kunden zu einem Verzicht auf das Angebot führt. Andererseits können die Konsumenten in der Schweiz auch nach dem Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist weitgehend kostenlos von einem laufenden Konsumkredit zurücktreten. Im Gegensatz etwa zu einem Hypothekarkredit, kann ein Konsumkredit frühzeitig ohne Vorfälligkeitsentschädigung an den Kreditgeber zurückbezahlt werden.
Könnte die Bedeutung des Widerrufsrechtes mit einer intensiveren Digitalisierung der Kreditprozesse zunehmen? Dies hängt davon ab, wie die digitale Kreditvergabe konkret ausgestaltet wird. Der vorliegende Bericht zeigt vor allem eines auf: Im Kreditprozess ist eine Bedenkzeit für den Konsumenten sinnvoll – aber es braucht diese nicht sowohl vor, wie auch nach der Vertragsunterzeichnung. Ist im digitalen Kreditprozess weiterhin eine Bedenkzeit zwischen dem Kreditantrag und der Vertragsunterzeichnung eingebaut, so kann man davon ausgehen, dass der Widerruf von abgeschlossenen Verträgen weiterhin kaum eine Rolle spielen wird. Fällt die Bedenkzeit zwischen Vertragsantrag und Vertragsunterzeichnung hingegen weg - wie etwa beim Einkauf in Online-Shops - so ist wohl mit einer zunehmenden Bedeutung des Widerrufsrechtes zu rechnen.
Language
German
HSG Classification
contribution to scientific community
Publisher place
University of St.Gallen
Subject(s)
Contact Email Address
martin.brown@unisg.ch
Eprints ID
254346