Kritische Würdigung des Diskontierungsverbots bei latenten Steuern : Ein Plädoyer für eine konzeptions- und prinzipienkonforme Bewertung
Journal
Steuer und Wirtschaft : StuW
ISSN
0341-2954
Type
journal article
Date Issued
2012-02-15
Author(s)
Breitkreuz, Robert
Abstract (De)
Der deutsche Gesetzgeber priorisiert seit dem BilMoG die Darstellung einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Vermögenslage gegenüber der Erfolgslage und folgt daher eher der statischen Bilanztheorie. Dies offenbart sich vor allem in der Bilanzposition "latente Steuern", denn die Ermittlung der Ergebnisdifferenzen folgt nicht mehr dem erfolgsorientierten timing-Konzept, sondern dem bilanzorientierte temporary-Konzept und der liability-Methode. Die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschluss wird folglich im Vergleich zu seiner Ausschüttungsbemessungsfunktion gestärkt. Dafür spricht auch die Intention des Gesetzgebers im BilMoG, eine kostengünstige Alternative zur ausschliesslich auf die Informationsvermittlung ausgerichteten IFRS-Bilanzierung zu schaffen. Alle Regelungen zur Bilanzierung latenter Steuern, welche der Informationsfunktion entgegenstehen, müssen sich durch Gläubigerschutzargumente rechtfertigen lassen und könnten folglich als Ergebnis eines Abwägungsprozesses anerkannt werden. Bei der Suche nach einer kompromisshaften Bewertungslösung latenter Steuern ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber einzelne, auf dem Gläubigerschutz basierende Vorschriften bereits aufgehoben hat, wie z.B. das Diskontierungsverbot langfristiger Rückstellungen, das Kriterium der Einzelverwert- bzw. -veräusserbarkeit beim derivativen Geschäfts- oder Firmenwert oder das Aktivierungsverbot von Entwicklungsaufwendungen. Daraus kann u.E. geschlossen werden, dass im Zweifelsfall die Informations- gegenüber der Gläubigerschutzfunktion stärker zu gewichten ist.
Einer statischen bilanztheoretischen Sichtweise entsprechend, stellen latente Steuern wirtschaftlich entstandene, aber rechtlich noch nicht konkretisierte Steuerforderungen bzw. -verbindlichkeiten oder, anders ausgedrückt, Ansprüche auf zukünftige Steuerminderbelastung bzw. künftige steuerliche Mehrbelastungen dar. Diese Interpretation verdeutlicht, dass der Zeitwert des Geldes bei der Bewertung von latenten Steuern zu berücksichtigen ist. Beispielsweise werden durch passive latente Steuern Finanzmittel im Unternehmen gebunden. Diese können wieder angelegt und Erträge realisiert werden. Folglich enthalten auch passive latente Steuern einen Zinsanteil; die Fiktion eines zinslosen Darlehens des Staates entbehrt dagegen jeglicher Grundlage. Latente Steuern sind folglich abzuzinsen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Zinsanteil im Zeitpunkt der Bilanzierung der passiven latenten Steuer als unrealisiert gilt. Zum einen ist der latente Steueraufwand bei der Bilanzierung passiver latenter Steuern nur in der Höhe des Barwerts unkompensiert. Zum anderen ist davon auszugehen, dass die Orientierung an der angelsächsischen Bilanzierungspraxis zu einer weiten Auslegung des Realisationsprinzips in der nationalen Rechnungslegung geführt hat. Vor dem Hintergrund der Tendenz zur paritätischen Zeitwertbilanzierung im HGB - z.B. bei Vermögensgegenständen, die zur Erfüllung von Schulden gegenüber Arbeitnehmern eingegangen Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB) - kann das Realisationsprinzip nicht mehr eng ausgelegt werden.
Vor dem Hintergrund einer konzeptions- und prinzipienkonformen Bewertung ist folglich die Diskontierung sowohl von aktiven als auch von passiven latenten Steuern zu fordern. Dadurch würden insbesondere aktive latente Steuern nicht mehr systematisch überbewertet; die Bewertung von passiven latenten Steuern stünde im Einklang mit der Bewertung von langfristigen Rückstellungen. Den Verlässlichkeits-, Gläubigerschutz- und Wirtschaftlichkeitsargumente könnte kompromisshaft Rechnung getragen werden, indem der Abzinsungssatz - wie auch bei langfristigen Rückstellungen - vorgeschrieben wird.
Einer statischen bilanztheoretischen Sichtweise entsprechend, stellen latente Steuern wirtschaftlich entstandene, aber rechtlich noch nicht konkretisierte Steuerforderungen bzw. -verbindlichkeiten oder, anders ausgedrückt, Ansprüche auf zukünftige Steuerminderbelastung bzw. künftige steuerliche Mehrbelastungen dar. Diese Interpretation verdeutlicht, dass der Zeitwert des Geldes bei der Bewertung von latenten Steuern zu berücksichtigen ist. Beispielsweise werden durch passive latente Steuern Finanzmittel im Unternehmen gebunden. Diese können wieder angelegt und Erträge realisiert werden. Folglich enthalten auch passive latente Steuern einen Zinsanteil; die Fiktion eines zinslosen Darlehens des Staates entbehrt dagegen jeglicher Grundlage. Latente Steuern sind folglich abzuzinsen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Zinsanteil im Zeitpunkt der Bilanzierung der passiven latenten Steuer als unrealisiert gilt. Zum einen ist der latente Steueraufwand bei der Bilanzierung passiver latenter Steuern nur in der Höhe des Barwerts unkompensiert. Zum anderen ist davon auszugehen, dass die Orientierung an der angelsächsischen Bilanzierungspraxis zu einer weiten Auslegung des Realisationsprinzips in der nationalen Rechnungslegung geführt hat. Vor dem Hintergrund der Tendenz zur paritätischen Zeitwertbilanzierung im HGB - z.B. bei Vermögensgegenständen, die zur Erfüllung von Schulden gegenüber Arbeitnehmern eingegangen Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB) - kann das Realisationsprinzip nicht mehr eng ausgelegt werden.
Vor dem Hintergrund einer konzeptions- und prinzipienkonformen Bewertung ist folglich die Diskontierung sowohl von aktiven als auch von passiven latenten Steuern zu fordern. Dadurch würden insbesondere aktive latente Steuern nicht mehr systematisch überbewertet; die Bewertung von passiven latenten Steuern stünde im Einklang mit der Bewertung von langfristigen Rückstellungen. Den Verlässlichkeits-, Gläubigerschutz- und Wirtschaftlichkeitsargumente könnte kompromisshaft Rechnung getragen werden, indem der Abzinsungssatz - wie auch bei langfristigen Rückstellungen - vorgeschrieben wird.
Language
German
Keywords
Latente Steuern
BilMoG
Abzinsung
§ 274 HGB
Diskontierungsverbot
Steuerabgrenzung
HSG Classification
contribution to scientific community
Refereed
Yes
Publisher
Schmidt
Publisher place
Köln
Number
1
Start page
71
End page
84
Pages
14
Subject(s)
Division(s)
Eprints ID
149691
File(s)![Thumbnail Image]()
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open.access
Name
Steuern+Wirtschaft_Inhaltsverzeichnis.pdf
Size
211.42 KB
Format
Adobe PDF
Checksum (MD5)
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