Das Verbot von 'staatsgefährlichen' Vereinigungen unter besonderer Berücksichtigung der Schweizer Praxis
Type
doctoral thesis
Date Issued
2021
Author(s)
Stähli, Armin
Abstract
The banning of a subversive association is one of the most drastic measures a state can take to protect itself. To date, Switzerland has never had a formalized procedure for such a measure. This resulted in both cantonal and federal authorities taking ad-hoc action, which was questionable from a legal viewpoint. For this reason, there has hardly been any discussion as to which body should be responsible for banning a subversive association and which procedure should be applicable.
In 2017, the Intelligence Service Act brought into force for the first time a general and abstract norm enabling the Federal Council to ban certain associations that pose a specific threat to internal or external security. However, the relevant article of the Intelligence Service Act (article 74), which was introduced late during the parliamentary deliberations, was so poorly formulated that a revision had to be initiated even before the law was set into force.
This thesis seeks to contribute to the discussion on the reformulation of article 74 of the Intelligence Service Act and Switzerland’s future policy on the banning of subversive associations. It first undertakes a legal-historical analysis of previous bans at the cantonal and federal levels. Subsequently, it discusses the relevant requirements under constitutional and international law for such a ban. Finally, it proposes a solution for bans of subversive associations de lege ferenda.
The proposed approach recommends that the question of whether associations reflect a social image incompatible with democracy and the rule of law be the decisive factor for future bans. The approach also advocates a model involving all three state powers; the government decides on the ban, parliament approves it, and in the event of appeal, a court can review the ban based on its legality and proportionality. Drawing on historical experience and the constitutional division of powers, this thesis ultimately argues against the federal jurisdiction called for by the Federal Council. Rather, in the spirit of a plea for federalism, the cantons should also be granted the competence to ban at least locally active associations that pose a danger to state security.
In 2017, the Intelligence Service Act brought into force for the first time a general and abstract norm enabling the Federal Council to ban certain associations that pose a specific threat to internal or external security. However, the relevant article of the Intelligence Service Act (article 74), which was introduced late during the parliamentary deliberations, was so poorly formulated that a revision had to be initiated even before the law was set into force.
This thesis seeks to contribute to the discussion on the reformulation of article 74 of the Intelligence Service Act and Switzerland’s future policy on the banning of subversive associations. It first undertakes a legal-historical analysis of previous bans at the cantonal and federal levels. Subsequently, it discusses the relevant requirements under constitutional and international law for such a ban. Finally, it proposes a solution for bans of subversive associations de lege ferenda.
The proposed approach recommends that the question of whether associations reflect a social image incompatible with democracy and the rule of law be the decisive factor for future bans. The approach also advocates a model involving all three state powers; the government decides on the ban, parliament approves it, and in the event of appeal, a court can review the ban based on its legality and proportionality. Drawing on historical experience and the constitutional division of powers, this thesis ultimately argues against the federal jurisdiction called for by the Federal Council. Rather, in the spirit of a plea for federalism, the cantons should also be granted the competence to ban at least locally active associations that pose a danger to state security.
Abstract (De)
Das Verbot einer staatsgefährlichen Vereinigung ist eines der drastischsten Mittel, das einem Staat zum Selbstschutz zur Verfügung steht. Bislang kannte die Schweiz kein formalisiertes Verbotsverfahren, weshalb Behörden auf Stufe Kanton und Bund zu rechtsstaatlich bedenklichen ad-hoc Vorgehen gezwungen waren. Kaum diskutiert wurde deshalb auch, welches Organ nach welchem Verfahren für das Verbot einer Vereinigung zuständig sein sollte.
Mit dem Nachrichtendienstgesetz (NDG) trat im Jahr 2017 erstmals eine generell-abstrakte Norm in Kraft, die dem Bundesrat ermöglicht, bestimmte, die innere und äussere Sicherheit bedrohende Vereinigungen zu verbieten. Der einschlägige Artikel 74 NDG, der erst in der parlamentarischen Beratung eingebracht wurde, war jedoch derart mangelhaft ausformuliert, dass eine Revision bereits eingeleitet werden musste, bevor das Gesetz in Kraft trat.
Die vorliegende Arbeit soll einen Diskussionsbeitrag für die Neukonzeption von Art. 74 NDG und die künftige Verbotspolitik leisten. Hierzu werden in einem ersten Schritt die bisherigen Verbote auf Stufe Kanton und Bund einer rechtshistorischen Analyse unterzogen, in einem zweiten Schritt werden die Vorgaben des Verfassungs- und Völkerrechts diskutiert und in einem dritten Schritt ein Vorschlag für eine Verbotsnorm de lege ferenda vorgestellt.
Ausschlaggebend für künftige Verbote sollte nach dem hier präsentierten Lösungsansatz primär die Frage sein, ob Vereinigungen ein Gesellschaftsbild widerspiegeln, das mit der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit unvereinbar ist. Der Vorschlag plädiert ferner für ein Modell, in dem alle drei Staatsgewalten involviert sind: Die Regierung entscheidet über das Verbot, das Parlament genehmigt dieses, und im Beschwerdefall kann es vom Gericht auf seine Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit überprüft werden. Aufgrund der historischen Erfahrungen sowie mit Blick auf die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung spricht sich diese Arbeit schliesslich gegen die vom Bundesrat geforderte Bundesgerichtsbarkeit aus. Vielmehr sollte den Kantonen im Sinne eines Plädoyers für den Föderalismus zumindest für lokal agierende Vereinigungen, welche die innere Sicherheit bedrohen, auch künftig die Kompetenz eingeräumt werden, staatsgefährliche Vereinigungen zu verbieten.
Mit dem Nachrichtendienstgesetz (NDG) trat im Jahr 2017 erstmals eine generell-abstrakte Norm in Kraft, die dem Bundesrat ermöglicht, bestimmte, die innere und äussere Sicherheit bedrohende Vereinigungen zu verbieten. Der einschlägige Artikel 74 NDG, der erst in der parlamentarischen Beratung eingebracht wurde, war jedoch derart mangelhaft ausformuliert, dass eine Revision bereits eingeleitet werden musste, bevor das Gesetz in Kraft trat.
Die vorliegende Arbeit soll einen Diskussionsbeitrag für die Neukonzeption von Art. 74 NDG und die künftige Verbotspolitik leisten. Hierzu werden in einem ersten Schritt die bisherigen Verbote auf Stufe Kanton und Bund einer rechtshistorischen Analyse unterzogen, in einem zweiten Schritt werden die Vorgaben des Verfassungs- und Völkerrechts diskutiert und in einem dritten Schritt ein Vorschlag für eine Verbotsnorm de lege ferenda vorgestellt.
Ausschlaggebend für künftige Verbote sollte nach dem hier präsentierten Lösungsansatz primär die Frage sein, ob Vereinigungen ein Gesellschaftsbild widerspiegeln, das mit der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit unvereinbar ist. Der Vorschlag plädiert ferner für ein Modell, in dem alle drei Staatsgewalten involviert sind: Die Regierung entscheidet über das Verbot, das Parlament genehmigt dieses, und im Beschwerdefall kann es vom Gericht auf seine Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit überprüft werden. Aufgrund der historischen Erfahrungen sowie mit Blick auf die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung spricht sich diese Arbeit schliesslich gegen die vom Bundesrat geforderte Bundesgerichtsbarkeit aus. Vielmehr sollte den Kantonen im Sinne eines Plädoyers für den Föderalismus zumindest für lokal agierende Vereinigungen, welche die innere Sicherheit bedrohen, auch künftig die Kompetenz eingeräumt werden, staatsgefährliche Vereinigungen zu verbieten.
Language
German
Keywords
Grundrecht
Vereinigungsfreiheit
Parteiverbot
Schweiz: Nachrichtendienstgesetz
Terrorismus
EDIS-5077
HSG Classification
not classified
HSG Profile Area
None
Publisher
Universität St. Gallen
Publisher place
St.Gallen
Subject(s)
Eprints ID
262402
File(s)![Thumbnail Image]()
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open.access
Name
Dis5077.pdf
Size
2.25 MB
Format
Adobe PDF
Checksum (MD5)
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