Ein serbischer Stadtneurotiker : «Ludwig» - David Albahari inszeniert den Narzissmus der Schriftsteller

Jeder erfolgreiche Autor gelangt früher oder später an den Punkt, an dem er versucht, das Geheimnis der literarischen Kreativität zu ergründen. Plötzlich müssen sich seine Protagonisten nicht mehr mit der komplexen Lebenswirklichkeit auseinandersetzen, sondern beginnen, eine Existenz zweiten Grades zu führen: Sie verlieren sich in dem unsicheren Grenzgebiet zwischen Fiktion und Realität; ihre privaten Angstphantasien erweisen sich als stärker als alle gesellschaftlichen Zwänge. David Albahari (geb. 1948) hat sich in seinen bisherigen Romanen auf beeindruckende Weise an allen Themen abgearbeitet, die sich in der serbischen Gegenwartsliteratur aufdrängen: der Holocaust, das Trauma des Jugoslawienkriegs, die Randexistenz des jüdischen Intellektuellen in der serbischen Gesellschaft und schliesslich das prekäre Emigrantendasein in Kanada. Unschwer lassen sich in dieser Aufzählung prägende Erfahrungen aus Albaharis eigener Biografie erkennen.